Der Fall „White Tiger“ sorgt derzeit für Aufsehen und beschäftigt nicht nur die juristische Fachwelt, sondern auch die breite Öffentlichkeit. Im Mittelpunkt steht ein junger Mann aus Hamburg mit deutsch-iranischer Staatsangehörigkeit, der angeblich im Alter von sechzehn Jahren unter dem Pseudonym „White Tiger“ in Erscheinung getreten ist. Ihm wird vorgeworfen, über Jahre hinweg schwerwiegende Straftaten gegen Kinder und Jugendliche begangen zu haben – hauptsächlich im digitalen Bereich. Zu den Vorwürfen zählen unter anderem Cybergrooming, Erpressung, die Herstellung und Verbreitung von kinderpornographischem Material sowie die besonders gravierende Anstiftung zum Suizid eines Kindes. Die Ermittlungen erstrecken sich auf mehrere Länder, wodurch eine internationale Zusammenarbeit, insbesondere mit dem FBI, notwendig wurde. In den USA wurden bereits Mitglieder derselben Tätergruppe – einer Online-Community mit dem Namen „764“ – zu hohen Haftstrafen verurteilt. Der deutsche Verdächtige wurde im Juni 2025 festgenommen. Die Beweislage erscheint zunächst erdrückend: Videos, Chats, Aufnahmen von Gewalt an Tieren und Kindern – insgesamt mehr als 120 dokumentierte mutmaßliche Taten.
Trotz der Schockwirkung des Geschehenen sollte jedoch nicht vergessen werden, dass jeder Mensch, selbst bei schwersten Vorwürfen, das Recht auf ein faires Verfahren hat. Die Aufgabe der Verteidigung ist nicht, die Tat zu billigen oder das Leid der Opfer zu relativieren. Sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt bis zum Beweis des Gegenteils, und dieser Beweis muss mit rechtsstaatlichen Mitteln erbracht werden – nicht durch Empörung. Der Strafverteidiger prüft die Rechtslage, bewertet die Beweismittel auf ihre Verwertbarkeit, stellt sicher, dass prozessuale Mindeststandards eingehalten werden, und wahrt die Rechte des Beschuldigten gegenüber der Staatsgewalt.
Besonders bei einem jungen Beschuldigten – der bei vielen der Tatvorwürfe erst sechzehn oder siebzehn Jahre alt gewesen sein soll – muss geprüft werden, ob Jugendstrafrecht Anwendung findet. Das Jugendgerichtsgesetz zielt nicht primär auf Strafe, sondern auf Erziehung ab. Psychologische Gutachten können wertvolle Hinweise zum Reifegrad, zur Schuldfähigkeit und eventuell therapiebedürftigen Störungen liefern. Eine differenzierte Betrachtung ist in solchen Fällen unverzichtbar. Zudem ist es wichtig, die Herkunft der Beweismittel genau zu prüfen. Wie wurden die Daten erhoben? Welche Rolle spielten ausländische Ermittlungsbehörden? Wurden verfassungsrechtliche Standards gewahrt? Sind die digitalen Beweismittel authentisch und rechtskonform gesichert?
In einem Verfahren dieser Größenordnung stellt sich auch die Frage, ob der Rechtsstaat dem öffentlichen Druck standhält, besonders wenn die Emotionen hochkochen. Strafverteidigung ist in solchen Fällen selten populär, aber unerlässlich. Sie bedeutet nicht die Verteidigung des Verbrechens, sondern die Verteidigung des Rechts. Ohne diese würde das Verfahren seine Legitimation verlieren. Wer die Verteidigung verhindert oder moralisch verurteilt, verkennt die grundlegenden Prinzipien eines demokratischen Rechtsstaats.
Als Fachanwalt für Strafrecht mit mehr als 25 Jahren Erfahrung verteidige ich bundesweit auch in komplexen und öffentlichkeitswirksamen Verfahren. Ich stehe für eine sachorientierte, professionelle und rechtsstaatlich korrekte Verteidigung – selbst in den schwierigsten Fällen. Wer rechtliche Unterstützung benötigt, sei es als Betroffener, Angehöriger oder einfach zur Klärung von rechtlichen Fragen, kann mich jederzeit kontaktieren. Es geht nicht darum, die Tat zu billigen, sondern um den Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung – auch, und gerade, wenn das schwerfällt.